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Der Eibengarten am Neuberg
Wiesenthal. Schon seit Hunderten von Jahren ist der "Iben" - oder Eibengarten am Neuberg als eine botanische Besonderheit weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Immer wieder ist der Eibenhain Anziehungspunkt für Naturfreunde und Wanderer. Auch Die Fach- und Forstleute haben ihre helle Freude an diesem geschlossenen Eibenvorkommen, das im deutschen wie im thüringischen Raum zu den größten zählt. Wie eng die Menschen der Rhönregion mit ihrem "Ibengarten" verbunden sind, zeigt dass schon die Kinder um seine Besonderheit wissen. Jede einzelne uralte, knorrige Eibe ist im Monument der Geschichte dieses Gebietes wie auch Verkörperung der vergangenen Zeiten bis in unsere Gegenwart. In all den Jahrhunderten trotzten sie Wind, Wetter und Katastrophen. Krieg und Frieden, Leid und Freude sind an ihnen vorübergezogen, und Menschenhand half, sie zu hegen und zu pflegen.
Unter der Bezeichnung "Ibengarten" (aus Rhöner Mundart) stellt man sich eine parkähnliche, mit Zaun und Toren eingegrenzte, Anlage vor. So mag es auch einst gewesen sein, als anno 822 in Zella die erste christliche Kirche unserer Gegend gebaut wurde. "Sturmius", der Nachfolger des heiligen Bonifatius, hatte unter dem Schutz der "Herren von Nidhartishusen" Mönche in die Täler gesandt, um zu bekehren und zu kultivieren, wo vorher noch der heidnische Blutpriester seinen Opferdienst verwaltete. Diese Mönche, die von den Türken aus dem Morgenland vertrieben worden waren, hatten wohl von dort mancherlei Samen und Pflanzen mitgebracht. Dabei waren auch unsere Eiben.
Die Überlieferung berichtet weiter, dass diese Männer wohl bald den leicht geneigten Abhang des kalkigen Neubergrückens gefunden haben, in dessen Sonnenlage die Eiben Gedeihen und wachsen konnten. An dem damals nur mit dürftigen Gras und Wachholderbüschen bestandenen Bergabhang werden sie unter Singen und Beten ihre fast welken Eibenpflanzen zu dem fremden Boden übergeben, eingehegt, gegossen und behütet haben. Viele Pflanzen mögen schon anfangs verdorrt und eingegangen, und zum Nachpflanzen keiner Reiser mehr übriggewesen sein, so dass gar bald Lücken entstanden waren. Dann aber haben die Stürme der Natur und der menschliche Unverstand in Jahrhunderten weitere Lücken gerissen. Die Umzäunung ist verfallen und nicht mehr erneuert worden, Laubholz ist zwischen den Eiben aufgewachsen und hat noch manchen Stamm unterdrückt und erstickt. So haben wir unseren Eibengarten, wie er die Zeiten überdauert hat, nun vor uns.
So wie eben beschrieben, haben unsere Vorfahren und wir über den Ibengarten und die Bäume gewusst, gedacht und geglaubt. Indes ist die Forstwissenschaft in mancher Hinsicht anderer Meinung. 1901 hat Oberförster Brock in der Zeitschrift "Die Gartenlaube" den Eibenwald beschrieben. Auf seine Aussage stützten sich auch die Erläuterung, die von Pfarrer Hjalmar Carlsson im Wiesenthaler Heimatbuch wie folgt beschrieben werden. "Es bildet der Neubergswald eine unserer schönsten und noch ursprünglichsten Mengenlaubwaldungen, die zusammengesetzt ist aus Berg-, Feld- und Spitzenahorn, Mehl- und Elsebeere und vor allem der Eibe (Taxus baccata)."
Längs des westlichen Hanges
des Neubergs, in Richtung Glattbach gelegen, gehört der
Eibengarten zu zwei größeren Teilen zu den Fluren
der Gemeinde Neidhartshausen und Wiesenthal, zu einem Teil zu Glattbach
bzw. Dermbach. Er erstreckt sich ca. 1,25 km in der Länge des
Berghanges von Nord nach Süd und ca. 0,25 km in der Breite von
Ost nach West.
Auf einer Fläche von 4,5 ha ist dies mit einem Bestand von 425
Bäumen, die mit 22-62 cm Durchmesser und einer Höhe
von 4-12 m eines der größten geschlossenen
Eibenvorkommen. Von den mitteldeutsch-thüringischen
Eibenvorkommen sollen hier die ältesten Eiben stehen. Man
schätzt ihr Alter auf ca. 450 Jahre.
Die 70 ältesten Exemplare sollen ein Alter von ca. 1000 Jahre
auf dem Buckel haben, was berechtigter Weise angezweifelt wird.
Unregelmäßig stehen da die seltenen Bäume,
oft einzeln und ziemlich weit voneinander entfernt, aber auch in
Gruppen von 2 bis 4 und mehr an der Zahl.
Ihre Höhe und Stärke sind verschieden, wie auch ihr
Wuchs. Einige zeigen sich schlank, gleich Tann, andere breitbuschig
gewachsen. Ja, wir finden ganz verkrüppelte und klein
gebliebene Eibenbäumchen, insbesondere in windiger Lage, oben
an den Felsenklippen. Alle scheinen jedoch zur gleichen Zeit
angepflanzt worden zu sein.
Die Eibe zählt zu den
Schattenholzarten. Trotz ihrer Langlebigkeit wird sie selten
höher als 12 m. Ihr träges Wachstum ist schuld daran,
dass die Verbreitung in den letzten Jahrhunderten stark
zurückgegangen ist. Die Nadeln der Eibe
haben eine Lebensdauer von 6-8 Jahren, enthalten ebenso wie Zweige und
Rinde, das Herz und Atmung
lähmende Gift Taxin.
Weder die rotbraune Rinde, die in dünnen Schuppen und Streifen
abblättert, noch das feste Holz sind harzführend. Es
gibt fruchttragende Eiben und solche ohne Frucht. Diese Frucht ist eine
Beere, in der Form und Größe der Heidelbeere, die
reif blasrot, mit einem an der Spitze hervorstehenden
graugrünen Kern, dicht auf den äußeren
Zweigen
sitzt.
Ihr Geschmack ist angenehm süß, der des Kern bitter;
man hüte sich, den Kern zu zerbeißen. Ungiftig ist
jedoch der fleischige purpurrote Samenmantel.
Das sehr elastische, harte und schwere Holz der Eibe wurde im Mittelalter sehr hoch geschätzt. Bereits damals führte man es aus, um daraus Bögen und Armbrüste herzustellen. Der Wanderer und Naturfreund erlebt vor allem im Frühjahr den Kontrast zwischen dem hellen Grün der Laubbäume und dem dunklen, fast schwarzgrünen der Eibe, was einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Schon zu DDR-Zeiten wurde der Ibengarten zum Naturschutzgebiet erklärt und dementsprechend durch die staatliche Forstwirtschaft gehegt. Da Wiesenthal gemeinsam mit seinen Nachbarorten im Biosphärenreservat Rhön liegt, ist auch der Ibengarten als bestehendes Naturschutzgebiet in dieses übernommen worden.
Der aktuelle Bestand wird in dem Rahmenkonzept unter der Rubrik "Seltene Pflanzen und Tiere" mit 355 Alteiben sowie dem Vorkommen von weiteren geschützten Pflanzen und Tieren angegeben, die auf der Roten Liste stehen. Mit der Unterschutzstellung eines Naturschutzgebietes treten entsprechende Gesetzlichkeiten in Kraft, die den Erhalt der Arten sichern helfen. Natürlich wird die Einhaltung derselben mit dem Bußgeldkatalog untermauert, der den Umwelt- und Naturfrevler bei seiner Anwendung empfindliche Strafen auferlegt. Der bessere Weg sollte doch sein, dass solche Maßnahmen erst gar nicht angewendet werden müssen und ein jeder mit Verantwortungsbewusstsein und Naturliebe solche herrlichen Naturoasen zu erhalten hilft. Auch die nachkommenden Generationen haben ein Anrecht darauf, in einer möglichst gesunden und intakten Umwelt leben zu dürfen.